11.02.2022 | Neuigkeiten

Pflegeeltern gesucht - Der Weg zur Pflegefamilie

In einem Interview mit Annette Seidel, Leiterin des Teams "Pflegekinder in Dresden", sprechen wir über das Interesse an Pflegschaften in Dresden, wie man eine Pflegefamilie wird und welche Voraussetzungen es dafür braucht.

 

 

2021 wurden in Dresden 41 Pflegschaften begonnen. Damit haben sich Ende des vergangen Jahres 310 Pflegefamilien um 367 Pflegekinder gekümmert. Das Team „Pflegekinder in Dresden“ der Diakonie Dresden steht Pflegeeltern und denen, die es werden wollen beratend zur Seite. Warum die Unterbringung von Kindern in Pflegefamilien so wichtig ist, wie man eine Pflegefamilie wird und welche Voraussetzungen es dafür braucht, erzählt Leiterin Annette Seidel in diesem Interview.     

Frau Seidel, das Beratungsangebot „Pflegekinder in Dresden“ gehört nun schon seit 29 Jahren zum Portfolio der Diakonie Dresden. Könnten Sie Ihr Team und Ihre Arbeit kurz vorstellen?

Annette Seidel: Unser Team besteht aus 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Alle haben eine fundierte (sozial-)pädagogische und therapeutische Ausbildung sowie entsprechende Weiter- und Zusatzqualifikationen. Unsere Aufgabe ist es, die Neugier an der Pflegeelternschaft zu stärken, Wissen an die Hand zu geben und Zweifel aufzugreifen. Wir möchten ein umfassendes Bild über das Pflegeelternsein vermitteln und den Entscheidungsprozess begleiten. Das alles tun wir in Beratungsgesprächen, Vorbereitungskursen und Hausbesuchen.  

Aus welchen Verhältnissen kommen Kinder, die in einer Pflegefamilie untergebracht werden?

Annette Seidel:  Die Kinder kommen in den meisten Fällen aus Haushalten, in denen schon vorher verschiedene Unterstützungsangebote der Jugendhilfe waren, aber nicht ausreichten. Nicht selten liegen psychische Erkrankungen bei den leiblichen Eltern vor. Auch Sucht, innerfamiliäre Gewalt oder Schulden können Gründe für die Unterbringung in einer Pflegefamilie sein. Oft lag eine Vernachlässigung über einen längeren Zeitraum vor.

Was brauchen diese Kinder ganz besonders?

Annette Seidel: Ganz wichtig ist für Kinder aus solchen Verhältnissen ein stabiles und verlässliches Bindungsangebot. Deshalb bringt das Dresdner Jugendamt Pflegekinder bevorzugt in Familien statt in Heimen unter. Da dort aufgrund von Schicht - und Personalwechsel stabile Bindungen in diesem Maße oft nicht möglich sind. Wichtig sind auch feste Strukturen und Rituale. Zudem brauchen die Kinder Menschen, die ihnen zuhören und sie ermutigen bzw. anerkennen, was sie bisher schon geleistet haben.       

Wer interessiert sich denn in Dresden für eine Elternpflegschaft?

Annette Seidel: Die Bandbreite der Interessierten ist groß und reicht von kinderlosen Paaren bis zu Familien, deren leibliche Kinder schon nicht mehr im Haushalt leben. Ein relativ hoher Anteil der Interessent*innen hat einen pädagogischen oder medizinischen Berufshintergrund, was aber auf keinen Fall Voraussetzung ist. Altersmäßig ist die Bandbreite ebenfalls recht groß, da es diesbezüglich mehr Variabilität als bei der Adoptionsvermittlung gibt.

Wie ist denn aktuell das Interesse an solchen Pflegschaften in Dresden?

Annette Seidel: Im vergangenen Jahr ging das Interesse an Pflegschaften leider zurück. 2021 kontaktierten uns lediglich 36 Interessierte. Im Jahr zuvor waren es noch 57 Erstkontakte. Ein Grund könnte der Ausfall der Infoabende des Jugendamtes gewesen sein. Wegen der Pandemie konnten im vergangenen Jahr leider nur zwei der ursprünglich sechs geplanten Veranstaltungen durchgeführt werden. Anfang Februar dieses Jahres hat die Stadt Dresden einen solchen Infoabend nun erstmalig online angeboten. Die Teilnehmerzahl stimmt uns in Sachen Erstkontakte wieder etwas positiver.

Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die Pflegeeltern erfüllen müssen?

Annette Seidel:  Der Wohnsitz potentieller Pflegeeltern muss in Dresden sein. Da werden kaum Ausnahmen gemacht. Zudem sollte das jüngste leibliche Kind mindestens 2 Jahre älter sein als das Pflegekind. Ansonsten gibt es keine strikten Voraussetzungen. So leben Pflegekinder in vielfältigen Familien. Auch für Alleinstehende und unverheiratete oder gleichgeschlechtliche Paare können ein Pflegekind aufnehmen. Eigene Kinder sind ebenfalls keine Voraussetzung.

Prinzipiell sollten Interessierte Freude am Zusammenleben mit Kindern haben, eine Offenheit für die Lebensgeschichte der Kinder mitbringen und bereit sein, auch eigene Lebensvorstellungen zu überdenken und weiter zu entwickeln. Gelassenheit, Humor und Verständnis im Umgang mit Konflikten sind auch wünschenswert.      

Wie wird man eigentlich zur Pflegefamilie?

Annette Seidel: Wer Interesse daran hat, Pflegefamilie zu werden, wird von uns intensiv auf die neue Aufgabe vorbereitet. So werden beispielsweise Vorbereitungskurse absolviert. Nach einem ersten Hausbesuch müssen die Bewerberinnen und Bewerber innerhalb von zwei Jahren nach Kursabschluss verschiedene Unterlagen einreichen, die für die Zertifizierung als Pflegefamilie nötig sind. Danach erfolgt nochmals ein intensiver Hausbesuch. Aus den gesamten Informationen wird dann durch die Mitarbeiter*innen ein Profil der Familie entwickelt und eine Empfehlung zur Eignung als Pflegefamilie ausgesprochen.

Wie lange bleiben Pflegekinder im Schnitt bei ihrer Pflegefamilie?

Annette Seidel: Je nach Alter gibt es den Zeitraum der Perspektivklärung. Für Kinder bis 3 Jahre sollte dies innerhalb eines Jahres geschehen, bei Kindern über drei Jahren innerhalb von 2 Jahren. Bis dahin soll geklärt sein, ob das Kind wieder zu seinen leiblichen Eltern zurückkehrt oder in der Pflegefamilie bleibt. Die große Mehrheit der Pflegschaften sind Dauerpflegen, die bis zum 18. Lebensjahr oder darüber hinausgehen.

Welche finanzielle Unterstützung erhalten Pflegeeltern?

Annette Seidel: Die Pflegeeltern erhalten ein monatliches pauschaliertes Pflegegeld zwischen 820 und 970 Euro, je nach Alter des Pflegekindes. Darin sind Sachkosten und ein Anteil für die Kosten der Erziehung enthalten (249 €). Außerdem gibt es verschiedene Einmalzahlungen und finanzielle Entlastungen wie zum Beispiel die Befreiung von Kita- oder Hortbeitrag.


Kontakt und weitere Infos:

Das Team „Pflegekinder in Dresden“ möchte  alle Interessierten zur Kontaktaufnahme ermutigen. Terminvereinbarungen sind telefonisch unter 0351 20 66 010 oder via Mail an pflegekinder@diakonie-dresden.de möglich.

 

  • Mehr Infos zum Thema Pflegschaften halten wir hier für Sie bereit.
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  • Im Podcast "Pflegefamilien Deutschland" der Pflegefamilien Akademie erwarten Sie hörenswerte Interviews und Reportagen zum Thema.